Nächster Tag, nächste Bahn
Auch in fernen Wales gilt die alte Weisheit ‘Nach dem Regen, folgt der Sonnenschein’! Und der erwartet uns an unserem zweiten Tag in Porthmadog. Der Städtchen wirkt gleich ganz anders…freundlicher….Größer wird’s allerdings nicht. Doch das war ja auch nicht der Sinn des Besuches am hinteren Ende von Wales. Da war die Ffestiniog und Welsh Highland Railway! Welsh Highland war gestern…heut’ gehts in die Schieferberge mit der Ffestiniog Railway! Auf dem Weg zum Bahnhof läßt die Sonne heute Nuancen sichtbar werden, die der Niesel gestern verborgen hat.







Heute ist zwar schon alles hin rangiert, aber die Lok noch nicht da. Gut, noch einmal Zeit sich auf dem Bahnhof umzusehen. Wir sitzen wie gehabt im Salonwagen! Gestern früh war ich ja noch der Meinung, das der frühe Einstieg die Plätze sichert, aber dem ist mitnichten so. Auf den Fahrkarten stehen wirklich Platznummern! Und wir haben wieder 1 und 2. Und es ist natürlich so, das sich meine englischen Freunde niemals auf einen Platz setzen würden, der ihnen nicht zugewiesen wurde. Glaubt ihr mir nicht? Dann kann ich nur mal empfehlen, sich in Ruhe anzuschauen, was in UK an einer Bushaltestelle passiert. Bevor der Bus kommt, entsteht schon eine Schlange! Und so harrt man der Dinge bis der Bus kommt und man einsteigen kann. Anderes Beispiel, Großveranstaltungen, gut hier unterstützen Ordnungskräfte ein wenig, aber, alles läuft gesittet und vor allem entspannt ab, ja, so sind sie halt, die Briten. Aber zurück nach Porthmadog. Unsere Lok ist mittlerweile auch eingetroffen. Zeit sie einmal näher zu betrachten. Im Gegensatz zu den südafrikanischen Garrat-Maschinen, die auf der Welsh Highland Railway eingesetzt sind, haben wir hier einheimische Lokomotiven Bauart Fairlie. Wenn man genau hinschaut, erkennt jeder, worin das Geheimnis dieser Bauart besteht…es sind eigentlich zwei Lokomotiven! So sieht es zumindest aus, doch ganz so einfach ist es natürlich nicht. Ohne auf weitere technische Einzelheiten einzugehen (die finden wir nämlich hier viel ausführlicher) sieht man auch das größte Problem dieser Lokomotiven. Der durchgehende Kessel lässt den Platz für Lokführer und Heizer auf ein Minimum schrumpfen.



Doch warum hat man überhaupt diese Maschinen beschafft? Dazu müssen wir einmal die Geschichte der Ffestiniog Railway (weiterführende Informationen hier) ansehen, übrigens die älteste, noch aktive Schmalspurbahn der Welt. Gegründet wurde die Bahn 1832, die Dampflokomotiven hatten also ihren Siegeszug noch nicht begonnen. Man suchte nach einer schlauen Lösung, die im Hinterland gewonnenen Schieferplatten zum neu entstandenen Hafen in Porthmadog zu befördern. Der Transport mit Packtieren und Fuhrwerken stellte sich als wenig leistungsfähig dar. Also entwickelte man ein Projekt, das eine Pferdebahn vorsah. Aber keine im klassischen Sinne, sondern mit folgenden Betriebsablauf. Die Pferde wurden nur genutzt, um die leeren Loren wieder den Berg hinauf zu ziehen. Die Vollen wurde per Schwerkraft befördert. Möglich wurde dies dadurch, das die gesamte Strecke in der Schräge gebaut wurde. So konnten die Züge, natürlich mit Bremsern besetzt, einfach den Berg hinunterrollen. Das hätte ich gern mal gesehen, war bestimmt ein Mordsgaudi…! Wer schafft es schneller runter…! Naja, im Normalfall dauerte eine Talfahrt 90 bis 120 Minuten. Die Pferde brauchten 6 Stunden, um die Wagen wieder zurückzubringen. Das das nicht optimal war, kann man sich gut vorstellen. Wobei man, glaube ich, nicht einmal die Talfahrt als Problem sah, sondern den Rücktransport. Und so wurde die ersten kleinen Lokomotiven Anfang der 1860iger beschafft. Wieder erfolgte nur der Rücktransport der Loren mit Antrieb. Dies blieb bis 1939 so! Zwischenzeitlich verkehrten nun auch Personenzüge, die auch, wenn auch nur eine kurze Zeit, ohne Lok den Berg hinunter rollten! Die Schieferproduktion selber führte in den 1870iger zur Forderungen für einen leistungsfähigeren Ausbau. Der zweigleisige Ausbau wurde aus Kostengründen verworfen und stärkere Lokomotiven gefordert. Und so entstanden die oben genannten, nach dem Fairlie Patent gebauten, Lokomotiven.





Ffestiniog Railway
- Streckenlänge: 21,9 km Schmalspur (600mm)
- ursprüngliche Eröffnung:
- in Abschnitten bis 1836
- Stilllegung: 1946
- Museumsbahn seit: 1982 (in Abschnitten seit 1954)
- Übergang zum öffentlichen Verkehr: Porthmadog, Minffordd, Blaenau Ffestiniog
- Fahrzeiten:
- Februar-Oktober: siehe Fahrplan
- November-Januar: eingeschränkt
- Fahrplan
- Website offiziell
- Historischer Abriss (Eigendarstellung Geschichte, englisch)
Auf in die Berge!
Es geht los…die sage und schreibe 10 Wagen setzen sich Bewegung. Zuerst geht es über das historisch wertvollste Bauwerk von Porthmadog. Das verwundert erst einmal, aber “The Cob” dem Damm durch das Mündungsdelta des Afon Glaslyn verdankt die Stadt seine, nun vielleicht (nicht) seine Existenz, aber zumindest seinen wirtschaftlichen Aufschwung. Ich bin mir nicht sicher, ob nun Zufall oder doch nicht, aber so wurde der Tiefwasser Hafen möglich. Na, auf jeden Fall ist es ein schöner Anblick! Am anderen Ende angekommen, zieht der Zug an der Boston Lodge Works vorbei. Hier befindet sich die Hauptwerkstatt der Ffestiniog & Welsh Highland Railways. Kann man, wenn man nett fragt, bestimmt auch besichtigen.





Weiter geht es erst durch die Vorgärten und dann über Felder, immer ein Stück weiter nach oben. Schnell wird die Landschaft kärger. Am Bahnhof Dduallt beginnt die Neubau Strecke, die aufgrund des Bau des Stausee nötig wurde, mit einem Kreisviadukt (naja fast Kreis).














Langsam kommen wir dem Schiefer näher. Keine Bäume verdecken mehr die Berge. Wenn man genauer hinsieht, bemerkt man die (Förder-?) Löcher, die kleinen Rampen davor. Doch dann ist Blaenau Ffestiniog erreicht. Endstation. Endstation auch für die Conwy Valley Line, die Normalspurstrecke, die von Norden (aus Llandudno) die Stadt erreicht. Unnützes Wissen gefällig? Mit einmal Umsteigen bin ich in 4 h in London! Aber da wollen wir heut nicht hin, unser Zug aber zurück.






Aber für nichts würde ich es verpassen, mich in diesem (Bergbau-)Städtchen umzusehen. Heute ist es hier so tot wie nirgend was… 4.200 Menschen von ehemals 12.000 leben hier noch. Muss das hier früher ein Lärm gewesen sein. Wenn man nach oben sieht, überall Schiefer. Auch wenn heute hier nichts mehr hergestellt wird, hat man dem Schiefer zumindest ein kleines Denkmal gesetzt. Ansonsten ist man natürlich schnell rum. Für das Museumsbergwerk, das ein wenig entfernt liegt, bleibt keine Zeit, unser Zug kommt!












Zeit für die Rückfahrt!
Während wir das Umsetzen der Lokomotive beobachten wollen, noch ein Wort zu den heute eingesetzten Lokomotiven. Unsere heutigen Zugmaschinen waren/sind die David Lloyd George (rot) und die Earl of Merioneth (grün). Diese Maschinen sind Baujahr 1992 bzw. 1979, kein Witz. Und keine Replika oder sowas, nein, die Lokomotiven sind nach den Originalplänen in den Boston Lodge Works gefertigt worden. Das ist doch mal was! Wenn man die Fahrzeuge etwas genauer betrachtet, interessante Technik, aber, so wenig Platz. Man sollte nicht vergessen, das hier immer noch (wieder) mit Kohle gefeuert wird.






Jetzt geht es aber wirklich zurück. Die Lok wird gekuppelt. Die sieht zwar nicht sehr vertrauenserregend aus, scheint sich aber bewährt haben. Gut, nun sind wir zwar direkt hinter der Lok, aber das macht nichts. Schön zu sehen, was der Heizer so zu tun hat. Kaffee wird gereicht und es geht los… Impressionen ahead bzw. ymlaen (wie der Waliser sagen würde) Naja…













Fazit
Was soll ich sagen? Es hat Spaß gemacht. Eine Empfehlung auf jeden Fall und da muss man kein Eisenbahn Romantiker sein. Sicherlich locken die doch exotischen Maschinen, aber auch die Landschaft gefällt. Schön, dass die Menschen rund um die Ffestiniog und Welsh Highland Railway ihr Ziel in den vielen Jahren des Aufbaus nicht aus den Augen verloren haben. Trotz allem Spaß den die Bahn heute den Besuchern bringt, ich hätte gern das Geschehen der vergangenen Jahre erlebt, den Schieferabbau, die loklosen Züge, die in Tal rollten und natürlich den Hafen.
Zwei Hinweise zum Schluß. Als Erstes möchte ich noch auf die dritte Bahn in der Gegend hinweisen. Die Snowdon Mountain Railway, Großbritanniens einzige Zahnradbahn! ich hab das leider nicht geschafft, war ein wenig abseits der Reiseroute, aber, wenn ich die Bilder so sehe, Wales hat mich nicht zum letzen Mal gesehen. Der zweite Hinweis betrifft die Anreise nach Porthmadog. Sicher kommt man da auch mit dem Auto hin, aber es gibt auch einen Weg, der vielleicht nicht ganz standesgemäß ist, aber auch funktioniert! Dazu nutzt man den Bahnhof Bangor an der Strecke nach Holyhead. Von Manchester oder Liverpool ist die Station mit einmal umsteigen erreichbar. London erreicht man sogar direkt in 3 1/4 Stunden. Und dann nimmt man den Überlandbus der TrawsCymru Linie T2 nach Porthmadog, der vom Bahnhofsvorplatz fährt. Fahrzeit ca. 70 Minuten.
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