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Sieht wie ein Modell aus, ist aber echt echt!

Wohin einen die Wege so führen. Ich bin in Entroncamento, mitten in Portugal, stehe auf dem Bahnhof und sehe zum Museu Nacional Ferroviario hinüber. Heute also das portugiesische Eisenbahnmuseum. Und ich stelle fest, meine ‘must-see’ Liste wird kürzer. Ja, es hat mal wieder gepasst (naah..jah), ein ‘Stop-over’ in Lissabon macht diesen Besuch möglich. Mir gefällt Portugal, nicht nur Lissabon und auch Porto sind es wert, die lange Anreise in Kauf zu nehmen. Einzig, die Sprache…hört sich an wie rückwärts gesprochen, aber, man spricht auch englisch und kann sich so zumindest ein wenig verständigen.

Entroncamento selbst, liegt an der ‘Linha do Norte’ der portugiesischen Eisenbahn, ist also sowohl von Lissabon als auch von Porto gut zu erreichen. Alle ‘Intercidades’ Züge und auch der ‘Alfa Pendular’ machen hier halt. Wer sich fragt… Die Intercidades sind normale Intercitys, Wagenzüge die aus CONRAIL- bzw. INOX Wagen aus eigener Produktion gebildet werden.

Die Zuggattung ‘Alfa Pendular’ bezeichnet die normalen ‘Hochgeschwindigkeitszüge’ der CP (Comboios de Portugal, portugiesische Eisenbahn). Der Begriff verwirrt ein wenig, handelt es sich hier nicht wirklich um Hochgeschwindigkeitszüge, sondern um solche mit Neigetechnik, wie sie auch in Italien und Slowenien eingesetzt werden. Die 10 eingesetzten Züge haben einen recht unterschiedlichen Modernisierungsstand. Die Rot/Blauen warten noch auf die eine umfassende Modernisierung, haben noch Röhrenfernseher als Displays… Ja, sehr Retro…! Grundsätzlicher Unterschied zwischen ‘Intercidades’ und ‘Alfa Pendular’ Zügen, ist die etwas höhere Streckengeschwindigkeit der Triebwagen (zwischen Lissabon und Porto werden 20min gewonnen) und der höhere Standard (Essen am Platz).

Wer noch mehr über die Züge der CP wissen möchte, dem sei dieses, recht umfassende Video empfohlen.

Das Umfeld

Das Museum wurde 2005 gegründet und 2015 in der jetzigen Form eröffnet. Der Standort ist wohl gewählt. Entroncamento verdankt seine Existenz einzig allein der Eisenbahn. Hier findet sich der einzigen Rangierbahnhof Portugals und die zentrale Werkstatt der CP. Da hier die wichtige Nord-Süd-Linie einen Abzweig Richtung Osten hat, ist der Bahnhof größer ausgeführt, als die Einwohnerzahl vermuten lässt. Insofern verwunderlich, da die Bahnhöfe in Portugal nicht gerade an Größe glänzen.

Zurück zum Museum. Die Öffnungszeiten sind recht merkwürdig. Nur Sonntags ist den ganzen Tag geöffnet. Das ist ein wenig schade, da man sich aus meiner Sicht wirklich etwas Schönes geschaffen hat. Zugang erhält man über die alles überspannende Brücke.

  • Öffnungszeiten:
    • Dienstag-Samstag 13:00 – 18:00 Uhr
    • Sonntag 10:00 – 18:00 Uhr
  • Adresse:  Museu Nacional Ferroviário Complexo Ferroviário do Entroncamento Rua Eng.º Ferreira de Mesquita Nº1 AEstrada Nacional nº3
    2330-152 Entroncamento
  • Website offiziell (Die Website ist ein wenig gewöhnungsbedürftig)

Museu Nacional Ferroviario

Beginnen wir unseren Rundgang mit einem Zitat, das ich der Website des Museums entnommen habe:

“Das Nationale Eisenbahnmuseum ist ein Ort des kollektiven Lebens, des Dialogs und des Wissensaustauschs, der allen offen steht für die Reflexion und das Experimentieren über die Beziehung zwischen dem kulturellen Erbe und der historischen, symbolischen und technologischen Rolle des Schienenverkehrs in Portugal.” 

Na, das ist doch mal was! Genau das ist es, was ein Museum leisten muss/soll. Nicht nur hier, sondern überall! Aber genug philosophiert. Schauen wir uns das Museum an. Oben schrieb ich über die alles überspannende Brücke. Schon die ist sehenswert! Vom Bahnsteig kann man direkt auf die Brücke. (oder wenn man nicht so weitsichtig ist, auch von der Straße!) Und…von oben hat man eine sehr guten Überblick über das Gelände. Nun, es ist Sonntag, 10:10 Uhr und… das Museum sieht zu aus…! Kein Mensch, kein Auto vor dem Eingang. Ist überhaupt offen? Ich hatte gerade erst in Holland so ein Erlebnis…! Aber die Tür schwingt auf und ich bin drin… Ich will ehrlich sein, ich bin beruhigt. Kann mir gar nicht vorstellen in diesem Nest auf den nächsten Zug zu warten. Aber eine nette junge Frau erwartet mich am Tresen. Mit Zugticket kostet der Spaß 2,50 €, sonst 5,00 €. Aus meiner Sicht zu wenig, aber ich kenne weiß nicht, wieviel Geld die Menschen hier zur Verfügung haben.

Armazém de Víveres / Eingangsbereich

Hier, in einem ehemaligen Kühlhaus, später dem Supermarkt für die Eisenbahner (also eine Art Konsum), ist der erste Teil des Museums untergebracht. Das Gebäude wurde von dem portugiesischen Architekten Cottinelli Telmo 1939 entworfen. Die Ausstellung zeigt die Meilensteine der Entwicklung des portugiesischen Eisenbahnwesens. Themen verschiedener Bereiche, wie Infrastruktur, Bahnhöfe, Brücken und Tunnelbau werden beleuchtet. Einen Schwerpunkt bilden jedoch die Dampfmaschinen, Dampflokomotiven und deren Funktionsweisen. Prunkstück ist sicherlich das Modell einer Dampflok, das Lehrlinge 1940 erschaffen haben. An dieser Stelle mal ein Lob an Apple, die das X mit so einem schönen Porträt Modus ausgestattet haben…!

Rotunda das Locomotivas / Lokschuppen

Um in den zweiten Bereich des Museums zu gelangen, muss man über noch befahrende Gleise… Hier wartet normalerweise ein Guide, der einen über die Gleise geleiten soll(te). Meiner kam erst aus einem Wagen geklettert, als ich die Gleise schon passiert hatte. Naja es war noch früh! Egal! Das Gebäude läßt diesen Fauxpas schnell vergessen. Ein 14-ständiger Lokschuppen voller Dampflokomotiven.

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Im Jahr 2008 wurde der Neubau, der anstelle des 1976 abgerissenen erbaut wurde, eingeweiht. Was zu den Lok’s zu sagen ist? Es fällt auf, das die Maschinen vor allem deutsche, französische und belgische Hersteller haben. Aber so ist das in Portugal. Keine wirkliche Eisenbahnindustrie vorhanden. Lange Jahre sind die Fahrzeuge entweder in Lizenz gebaut oder wurden zumindest hier im Land montiert. Heute, im Zeichen der Globalisierung ist auch diese interessante Idee Geschichte. Bombardier hat das letzte Werk geschlossen!

Schauen wir uns die Parade an:

Oficinas do Vapor / Lokomotivwerkstatt

Das nächste Gebäude wartet. Oder nein, es sind 3 Gebäude. Die Kleineren erbaut 1907, die beiden Größeren 1915. Sehr schön für den Museumsbetrieb restauriert und für die Ausstellung hergerichtet. Als Erstes wird der ganze Stolz des Museums besichtigt, der königliche Zug! Ist schon interessant, die Lokomotive wurde 1862 von Beyer Peacock & Co in Manchester gebaut, die Wagen waren Geschenke, Aussteuer etc. Recht rege genutzt durch die Königsfamilie wurde der Zug bis 1910! (dann war Schluss mit König!) Die Lok wurde noch bis 1923 einsetzt, die Wagen waren abgestellt und konnten der Zerstörung entkommen. 1952, im Rahmen der 100 Jahr Feier der portugiesischen Eisenbahn wurde der Zug wieder hergerichtet. Der jetzige Zustand wurde 2010 erreicht.

Züge scheinen in den Regierungsgeschäften Portugals eine wichtige Rolle zu spielen. Der nächste Höhepunkt ist der Regierungszug! Die Wagen wurde Anfang der 30iger Jahre durch Linke-Hoffmann-Busch (Breslau) geliefert, die jetzige Form des Zuges wurde 1940 erstellt. Genutzt wurde er (sogar über den Tod hinaus) von Herrn António Oliveira Salazar (interessant), mehr oder weniger der Diktator der zwischen 1926 und 1970 das Land unter Kontrolle hatte. Ja, die letzte Fahrt war wirklich der Trauerzug. Danach wurde der Zug stillgelegt, die Wagen verstreuten sich bis 1980, als sie für die Nachwelt gesichert wurden. 2010 begann man mit der Restauration begann, die 2013 abgeschlossen war.

So, genug der Wagen, kommen wir endlich zu den Diesel-, Elektrolokomotiven und den Triebwagen. Die Ablösung der Dampflokomotiven wurde nach dem letzten Krieg recht schnell geplant. Auch in Portugal (wie in der Schweiz) machte sich der Mangel an Kohle bemerkbar. Die Umstellung konnte durch Mittel aus dem Marshall-Plan beschleunigt werden. Nach heutigem Wert gingen rund 500 Millionen Dollar nach Portugal! Da diese Mittel mehr oder weniger Zweck gebunden waren, erklärt auch die amerikanischen Diesellokomotiven in der Ausstellung. Man sieht die Abstammung aber auch! Die 1500 wurde 1948 von ALCO geliefert. Die Fahrzeuge entsprachen den amerikanischen Serien  Mustern, mit den entsprechenden Nachteilen in Europa. So konnten einige Strecken ob der hohen Achslasten nicht befahren werden, Tunnel waren zu klein… Doch insgesamt haben sich die Maschinen bewährt und waren bis 2002 im Einsatz. Die Serie 1300 wurden ab 1952 von Whitcomb Locomotive Company, USA nach den gleichen Prämissen beschafft. Die 12 Maschinen waren bis 1987 im Einsatz. Weitere Beschaffungen wurden nun nach alten Muster ab 1961 getätigt. So die Serie 1200, die nach französischer Lizenz in Portugal bei SOREFAME gebaut wurden.

Die Triebwagen sind sehenswert, naja, der eine optisch sehr gelungen, der andere, nun wie der Volksmund sagt…ein Marienkäfer (ähhh…Kartoffelkäfer). Beide Typen bezahlt mit Marshall-Plan Geldern, jedoch aus Schweden bzw. Holland beschafft. Die Serie 0100 von 1948 – 2004 im Einsatz, die 0300 ab 1954. Dann, knapp 50 Jahre später, erfolgte dann eine Modernisierung, so dass die Fahrzeuge heute noch im Einsatz sind… Nur wenn man das auch weiß erkennt man die Fahrzeuge, die jetzt zur Serie 0350 gehören. Stand auch just auf dem Bahnhof.

Was noch fehlt…? Die Elektrischen…! Nun…das muss eine lustige Geschichte gewesen sein… Da gründet sich 1954 in Zürich eine Firma oder besser ein Syndikat, in der sich einige der wichtigsten europäische Schienenfahrzeughersteller zusammengeschlossen hatten, um das damals neue französische Bahnstromsystem, natürlich nebst den Fahrzeugen zu promoten! ‘Groupement d’Étude d’Électrification Monophasé 50Hz’ nannte/nennt sich das Unternehmen. Hier können nun Fahrzeuge und Anlagen aus einer Hand geordert werden. Also nur aus einer Hand, es waren ja alle großen Firmen beteiligt…! Sozusagen WIN/…/WIN/LOOSE! Nun mag das in Portugal in Ordnung gegangen sein und dem Land geholfen haben, schnell die Bahnstrecken zu elektrifizieren, aber ein fader Beigeschmack bleibt. Die Serien 2500 (Baujahr 1956) und 2550 (Baujahr 1963) sind Beispiele hierfür.

Noch älter sind die Elektrolokomotiven der Sociedade de Estoril. Diese Bahn verbindet Lissabon mit Cascais am Atlantik. Die Strecke wurde zwischen 1889 und 95 eröffnet und war zwischen 1926 und 1977 in ‘privater’ Hand. In dieser Zeit wurde sie mit 1500V Gleichstrom elektrifiziert und ist somit die erste elektrifizierte Strecke in Portugal gewesen. Nun, es gab zwar viele Pläne, hier auch die “Normal” Spannung zu installieren, es fehlte jedoch immer am Geld. (neues Ziel 2021 mit EU Geldern) Interessant ist, wirklich, das sich, bedingt durch die gerade Linie, die Räder auf einer Seite mehr abnutzen, als auf der anderen. (Naja…Hörensagen) Ausgestellt sind 2 AEG Maschinen aus dem Jahr 1924 (L302/L303), wobei es während der Modernisierung Anfang der 1950iger zu leichten Veränderungen bei der L303 kam. Weiter ist die L301 zu bewundern (naja eine Schönheit ist das nun nicht gerade) Dieses Einzelstück wurde 1948 von North British Locomotive Company in Glasgow gefertigt. Der elektrische Teil stammt von General Electric.

So, es gibt zwar noch das eine oder andere Exponat, aber ich will die Sache hier auch nicht ausdehnen. Eigentlich war ich durch, hätte dem Pfeil folgen sollen (dem großen Roten). Aber…bin ich natürlich (natürlich!) nicht. So lenkten mich meine Schritte in die Ecke des Geländes, wo die (noch) nicht ausstellungswürdigen Exponate schlummerten. Interessant vor allem die 2501 von 1956, die erste Lokomotive der oben angesprochenen “d’Étude et d’Electrification de Chemins de Fer en Monofasé 50 Hz” Gruppe.

Fazit

Ja, leider ist der Bericht ausführlicher geworden, als ich mir das vorgenommen habe, inkl. geschichtlicher und technischer Exkurse. Das liegt zum einem daran, das es hier relativ wenig weiterführende Seiten in Deutsch gibt, ich die nötigen Informationen mühsam mit dem Wörterbuch übersetzen musste (nein…quatsch…Goggle Übersetzer war sehr hilfreich), zum anderen, weil es einfach interessant war/ist. In den vorhandenen Seiten fehlt auch ein wenig die durchgehende Struktur. Aber das nur am Rande. Das Museum hat mir gefallen! Es ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Vor allem, wenn ich den Besuch in Madrid im dortigen Pendant dagegenhalte. Obwohl Portugal nicht das Eisenbahnland zu seinen scheint, nie wirklich eine ‘Eisenbahn’ Industrie vorhanden war, scheinen die staatlichen Stelle ein wenig (mehr) spendabler zu sein. Dagegen zuhalten wäre vielleicht, dass in Spanien mehr ‘private’ Initiativen in der Eisenbahn Historie zu finden sind! Zurück zum Museu Nacional Ferroviario. Zwei Dinge würde ich bemängeln. Da sind zum einen die Öffnungszeiten und zum anderen, dass man nicht mit ausländischen Kreditkarten bezahlen kann. Gut, sicherlich muss man sein Eintrittspreis nicht mit Karte bezahlen, aber die haben da schöne Lokmodelle…und alle sind noch dort und keins in Berlin! Echt schade…

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