Auf nach Palma

Da ich nun mal in Spanien unterwegs war, lag es nahe, die Ferrocarril de Sóller auf der schönen Insel Mallorca zu besuchen. Für die deutschen Leser um den Zusatz “roter Blitz” erweitert! Nur nebenbei, nur die Deutsche sagen das so…! Die Frage war nun erst einmal, wie kommt man möglichst elegant von Barcelona nach Palma. Sicher geht das mit dem Flieger, aber in unserer schnellen Welt muss man auch mal das Tempo herausnehmen können. Heute ist Entschleunigung das neue Schnell. Hoffnung auf Wellness für die gestresste Seele. Ja, genau, ich nahm ein Schiff! Nein, keine Jacht, kein Kreuzfahrtpott…nein…die Autofähre! Nun hat die ‘Trasmediterránea’ eigentlich ein ganz schönes Empfangsgebäude, das sogar ein König oder sowas ähnliches eröffnet hat. Doch der Lack ist ab, nicht einmal die Toiletten, die recht beliebt bei Taxifahrern, Obdachlosen und den Reisenden zu sein scheinen, funktionieren noch. Und man wartet und wartet auf das Boarding, um dann auf Nachfrage (!) zu erfahren, dass das dann vor dem Gebäude an einem kleinem Tor stattfindet würde. Ein Shuttlebus (das Wort läßt großes vermuten, täuscht aber) fährt uns zu Rampe! Rest zu Fuß! Das Schiff selbst ist Okay, aber es ist und bleibt eine Autofähre, ein Nutzschiff eben. Kein riesiger Supermarkt, keine Volksbelustigung, ein Restaurant, das zwei Stunden geöffnet hat (7 Stunden Fahrzeit), nur eine kleine Cafeteria lädt zum Besuch ein. Wohl dem, der eine Kabine gebucht hat! (Hab ich!)

Ferrocarril de Sóller

Aber die Fahrt war Klasse! Palma de Mallorca ist erreicht. Es hat über 50 Jahre gedauert, um mich hier her zu bringen. Und auch noch voller Vorurteile, naja ‘Vorurteile’ ist nicht die richtige Umschreibung, Eher die Aussage über Mallorca, sowas wie ‘Palma hat eine schöne Altstadt’ (stimmt), ‘der Rest der Insel ist richtig schön’ (?), ‘Schinkenstraße? War ich noch nie!’ (ja klar) Die Schinkenstraße, Oberbayern/Bierkönig hab ich mir angesehen, einige meiner dunkelsten Minuten…da waren wirklich Tausende! Und die konnten die Lieder sogar mitsingen…Schock! Aber, wie dem auch sei…zurück zu den Schienenwegen, wegen denen ich hier bin! (Achtung Wortspiel!) Die Ferrocarril de Sóller besteht aus zwei unterschiedlichen Bahnen der Tren de Sóller, der ‘richtigen’ Eisenbahn und der Tramvia de Sóller, einer Art Straßenbahn. Die Gesellschaft Ferrocarril de Sóller wurde 1905 gründet und bekam zunächst eine Konzession für 100 Jahre, die 2005 um weitere 50 Jahre verlängert wurde. 1912 fuhren die ersten Züge zwischen Palma und Sóller. Zeitgleich wurde auch die Straßenbahn zwischen Sóller und Port de Sóller in Betrieb genommen! Die verdankt ihre Existenz einzig einer, ich will das mal ganz vorsichtig formulieren, anderen Auslegung eines Subventionsgesetzes im damaligen Spanien. Dort war festgelegt, das nur Bahnen mit einer projektierten Länge über 30 Kilometer in den Genuss der ausgeschriebenen Subventionen für den Bau kommen konnte. Was tun wenn die Strecke Palma – Sóller selbst aber nur eine Länge von 27 km aufweist? Ganz klar, irgendwie muss man die 30 km schaffen. Also wurde die Tramvia gleich mit geplant und gebaut. Vermarktet wurde das Ganze dann als offizielle Verlängerung der eigentlichen Strecke und schon hatte alles seine Richtigkeit. Fuhr man anfänglich noch größtenteils Güter über die Bahnen an- bzw. ab, liegt heute der Fokus auf den Passagieren. Ich habe mal versucht herauszufinden, welche Beförderungszahlen die Bahn aufzuweisen hat. Auf der Website der Bahn bzw. des Unternehmens wird man da nicht fündig, dennoch ist es mir gelungen, einen Blick in den Geschäftsbericht für das Jahr 2016 zu werfen. So ganz glücklich bin ich mit den erlangten Informationen jedoch nicht, wird hier nicht auf die Besucher, sondern nur die verkauften Tickets eingegangen. Demnach wurden für den Zug rund 435.000 und für die Tram 853.000 Tickets verkauft. Hinzu kommen noch rund 145.000 sogenannte Kombitickets (für Zug und Tram). Macht zusammen rund 1.430.000 Tickets (Besucher?). Stattliche Zahl alle Male, zumal ein Plus von knapp 10% zu 2015 erreicht wurde. Bisschen verwunderlich nur, das die Tram doppelt so viele Fahrscheine verkauft wie der Zug. Ich hätte das eher genau anders herum vermutet. Na egal, so gut ist mein Spanisch nun auch nicht, nur noch eine Information zum Schluss, die Ferrocarril de Sóller arbeitet recht erfolgreich (2015/2016). Also nicht das man jetzt Millionen Gewinn macht, nein nein, ist ja auch nicht Sinn der Sache… die bekommen ihr Ergebnis so hin, das nur ein kleiner Gewinn bleibt. Alles andere wird investiert. Und das sieht man auch!

Tren de Sóller

  • Strecke: Palma – Sóller
  • Streckenlänge: 27,3 km Schmalspur (917mm)
  • Eröffnung: 16. April 1912
  • Stromsystem: 1.200 Volt Gleichstrom (seit 1929)
  • Fahrzeiten: ganzjährig nach Fahrplan (November – März eingeschränkt)
  • Website offiziell

Tramvia de Sóller

  • Strecke: Sóller – Port de Sóller
  • Streckenlänge: 4,9 km Schmalspur (917mm)
  • Eröffnung: 04. Oktober 1913
  • Stromsystem: 600 Volt Gleichstrom (seit 1912)
  • Fahrzeiten: ganzjährig nach Fahrplan
  • Website offiziell

Noch ein Wort zum Fahrkartenkauf. Die können nur am Reisetag gekauft werden. Es ist keine Reservierung oder Vorverkauf möglich. Außerdem gebe ich zu bedenken, das in der Saison auch der letzte Platz verkauft wird! Bedeutet, wenn man zusammensitzen möchte, sollte man sich frühzeitig die Plätze sichern. Kleiner Hinweis, es gibt auch eine Ankunftstafel!

Tren de Sóller

Wenn man sich durch das Gewusel bei der Einfahrt und den Fahrgastwechsel über sich ergehen lässt (und der eine oder andere kann sich wohl vorstellen, was passiert, wenn ein paar Deutsche am Start sind), denkt man unwillkürlich an die Eingangs erwähnte Entschleunigung. Schön, das ich diesmal von zwei Freunden unterstützt werde, die uns die besten Plätze sichern. So bleibt mir Zeit das Gefährt zu begutachten. Das Erste was auffällt, die 6 Wagen nebst dem Triebwagen sind in kürzester Zeit mit Menschen gefüllt! Beeindruckend zwar, aber mich interessiert was anderes. Ich werde das Gefühl nicht los, die Fahrzeugform schon einmal gesehen zu haben. Gut, entworfen und gebaut sind die Triebwagen von Siemens-Schluckert, aber eine gewisse Ähnlichkeit mit der Baureihe AI der Berliner U-Bahn ist nicht zu verkennen! Ob es da wirklich einen Zusammenhang gibt weiß ich leider nicht zu berichten.

Im roten Blitz

Dann geht es endlich los, alle haben eine Sitzplatz gefunden und ich habe, dank meiner Mitstreiter Mathias & Sascha einen hervorragenden Fensterplatz, der mir freie Sicht auf die Landschaft gewährt. Wobei, erst mal geht es in der Mitte der Straße durch etwas zwielichtige Gegenden von Palma. Aber schnell ist freies Feld erreicht und es geht der Sonne entgegen. (Was natürlich nicht stimmt, denn wir fahren nach Norden, aber, es hört sich so gut an!) Aber die Berge der Sierra de Alfàbia kommen näher. Diese Bergkette gilt es auf einer Höhe von 496 m in einem 2.800 m langen Tunnel zu durchqueren. Nach Durchquerung desselben, ist als touristischer Höhepunkt der Haltepunkt ‘Mirador del Pujol d’en Banya’ eingerichtet. Sicherlich dauert es ein Weilchen, bis alle mitbekommen haben, das es gilt, auszusteigen, um das atemberaubende Panorama zu bewundern. Man fragt sich, wie viele der staunenden Menschen wohl wissen, was sie im Tal vor sich sehen. Ja…Sóller, liegt ein paar hundert Meter unter uns (ich wußte das aber auch nicht!) Was aber auch in den besten Reiseführer nicht steht, der letzte Teil der Reise ist der technisch Interessanteste! Ein Kehre und ein Kehrtunnel erwarte uns. Ich glaube, niemanden in dem Zug fiel auf, das die Stadt auf einmal auf der anderen Seite war. Eher entsteht allgemeine Aufregung, da Sóller erreicht ist. Hier stellen sich schnell zwei Fragen…wo ist die Toilette und wie passen jetzt eigentlich die ganzen Menschen in die Straßenbahn? Die erste Frage ist schnell geklärt (Bitte nach Ankunft nicht lange darüber nachdenken und schnell (!) aufs Klo gehen…die Hälfte des Zuges muss auch) Die zweite eigentlich auch, die allgemeine Panik abwarten und mit der sofort folgenden Bahn gefahren.

Schon mal einen Blick auf die Rückfahrt

Das Boarding zur Rückfahrt gestaltet sich spannend. Alle Warten an einem Eisentor. Hier wird peinlich darauf geachtet, das jeder auch nur den Zug nimmt, der auf seiner Karte vermerkt ist! Es kommt natürlich zu Dramen! Aber der Herr am Eingang meistert die Situation souverän. Was man dem Schaffner auch zugestehen muss. Der Zug ist bis auf den letzten Platz verkauft. Da kann man keine Rücksicht auf Familien oder sonstige Befindlichkeiten nehmen.  Zumindest ist vor Abfahrt genügend Zeit, sich den Bahnhof und die Werkstattanlagen zu besehen.

Tramvia de Sóller

Wir sitzen natürlich in der ersten Bahn! Merkwürdiges Gefährt, vorn und hinten ein Triebwagen und dazwischen zwei Vierachser. Den Triebwagen sieht man die Herkunft nicht an, wurden sie doch in ihrem Äußeren den Originalfahrzeugen (und das recht gut)der Strecke angepasst. Diese Fahrzeuge wurden aus Lissabon beschafft. Man erkennt diese Triebwagen auch als ungeübter Passagier an den Betriebsnummern (20-24). Die Bestandsfahrzeuge der Linie dagegen tragen einstellige Nummern. Die vierachsigen Wagen wurden in din letzten Jahren durch die Bahn selbst hergestellt, wobei man auf Fahrgestelle der Eisenbahn zurückgriff. Obwohl die Bahn für den Personentransport konzipiert wurde, so kam es in früheren Jahren auch zu einem, wenn auch recht bescheidenen Gütertransport. Es gab einen Kühlwaggon zum Transport von Fisch und anderen verderblichen Waren. Auch wurde der (ehemalige) U-Bootstützpunkt im Hafen mit Kohle und allerlei Ausrüstungsgegenständen (Minen, Torpedos) beliefert.

Die Fahrt selber ist recht unspektakulär. Wenn man von Sóller mit seinen verwinkelten Straßen einmal absieht, läuft die Strecke fast immer geradeaus. Auf der Strecke werden noch einmal rund 50m Höhenunterschied überwunden. So es die nicht mehr ganz so jungen Fahrzeuge zulassen, stellt sich schnell ein durchaus angenehmes Fahrgefühl, auf der (anscheinend) erst kürzlich sanierten Infrastruktur, ein. Auf den letzten Meter geht es direkt auf der Hafenmole zum Endpunkt der Strecke.

Port de Sóller ist ein ausgesprochen schönes Städtchen. Es regt wie selbstverständlich zum flanieren ein. Wenn man dies, einmal hoch und einmal runter getan hat, laden die Cafes und Restaurants zu verweilen ein. Doch dann ist es auch schon wieder an der Zeit die Rückfahrt anzutreten. Es ist erstaunlich wie die Zeit an solch schönen Ort verrinnt. In der Planung des Tages, haben wir uns noch Gedanken darüber gemacht, wie wir wohl die 4 Stunden von Ankunft bis zur Abfahrt des Zuges verbringen würden. So schnell geht es vom abwägen der Möglichkeiten, hin zum zeitlich möglichem.

Auch Sóller will noch durchschritten werden. Zumindest auf einer kleinen Runde sollte man die Altstadt besichtigen, bevor die die Pfarrkirche Sant Bartomeu am Marktplatz (?) erreicht ist. Die Anfänge dieses Baues können bis 1236 zurückverfolgt werden, die jetzige Gestalt wurde 1688 – 1733 und 1904 erreicht. Aber das eigentliche Highlight (gut, nicht für alle) ist der Bahnhof. Das ist der Älteste der Welt (!). Was natürlich so nicht ganz richtig ist. Gut, das Gebäude ist zwar aus dem Jahr 1606, was  ja doch schon recht alt ist, aber erst ab 1912 von der Ferrocarril de Sóller als Bahnhof genutzt. Wie man jetzt daraus ableitet, das es sich um den ältesten Bahnhof der Welt handelt, nun, das ist schon mutig. Aber letztendlich ist es auch egal, lassen wir den Mallorkesen/Sólleranern einfach diese Legende und gut ist!

Fazit

Na gut, ich stehe vielleicht nicht auf volle Züge bzw. auf zu viele Menschen auf engen Raum, aber es geht nicht immer nur um mich. Die Ferrocarril de Sóller ist ein Muss für den Besucher der Insel. Zumindest wenn das Wetter nicht an den Strand einlädt. Es ist schon erstaunlich, wie viele Menschen einfach nur Bahn fahren wollen, wie viele Kinderaugen beim Anblick der alten Züge / Straßenbahnen zu leuchten beginnen (und die der Väter). Ich finde es jedenfalls schön, das hier ein Stück Geschichte erhalten wird, vor allem gewinnbringend erhalten wird.

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