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Heute mal was zur Auflockerung! In der tiefsten Lausitz, weitab der Autobahnen, findet sich die Energiefabrik Knappenrode. Energiefabrik, mhmm…, was ist das nun wieder? Ich kann die Unwissenden beruhigen, es handelt sich, nur, um eine stillgelegte Brikettfabrik. Aber Energiefabrik? Da waren echte Denker, bestimmt aus einer Denkfabrik am Werk. Wie dem auch sei, Energie wurde hier natürlich nicht erzeugt, höchstens umgewandelt! Aber ich wollte mich hier nicht in Physik verstricken…also lassen wir den Namen, wie er ist! Wenn man sich die Karte ansieht, denkt man, ohhh, das ist ja schön, Wälder und Seen, weitab einer Hauptstraße. Das täuscht natürlich, wir sind mitten im Lausitzer Braunkohlenrevier. Bei den Seen handelt es sich um aufgefüllte Tagebaue. Mit dem Ende der DDR schlossen in dieser Region die letzten Gruben. Es ist erstaunlich, Deutschland ist noch immer auf Platz 1 der braunkohlefördernder Länder. 2012 wurden noch 185 Mio Tonnen in den drei großen Revieren gefördert. (Rheinische, Mitteldeutsche und Lausitzer Revier). Nur zum Vergleich, in den 80iger Jahren hatte die DDR ihre Produktionsmenge auf 300 Mio Tonnen gesteigert! Der ‘Glanz’ ist mittlerweile vorbei und so sind wir zu diesem Museum in Knappenrode gekommen. Überhaupt Knappenrode. Die Gemeinde gehört zwar heute zu Hoyerswerda, ist aber eine der jüngsten Gemeinden der Region. 1913 wurde hier eine Arbeitersiedlung für die Grube Werminghoff (1945 geschlossen) errichtet. Diese Siedlung wird seit 1923 als Gemeinde geführt. Der Name Knappenrode stammt aus dem Jahr 1950. Man wollte den Namen des ‘Kapitalisten’ Werminghoff tilgen. Heute scheint hier die Zeit stehengeblieben zu sein. Sicher, seit die Kohle weg bzw. weitergezogen ist, befinden wir uns hier in einer extrem strukturschwachen Region, aber man hat das Gefühl, das gleich ein paar FDJler hinter der Ecke vorkommen. Gespenstisch, aber hat was!

Am Ende des Dorfes ist die Energiefabrik Knappenrode erreicht. Aus meiner Sicht sollte zwar die Anfahrt mit dem eigenen Auto erfolgen, doch scheint auch ein Bus zu fahren, der zwischen Hoyerswerda und Bautzen Knappenrode ca. jede Stunde anfährt.

  • Öffnungszeiten: täglich, außer Montag 10 – 18 Uhr
  • Adresse: Sächsisches Industriemuseum Energiefabrik Knappenrode, Ernst-Thälmann-Straße 8, 02977 Hoyerswerda / OT Knappenrode
  • Website offiziell

Ich empfehle, eine Führung durch die Anlage mitzumachen. Kostet zwar 25,-€ extra (pro Gruppe), lohnt aber in jedem Fall! Viele Maschinen sind noch funktionsfähig und werden vorgeführt. Mehr dazu weiter unten. Es scheint keine festen Zeiten für die Führungen zu geben, man muss am Eingang einfach fragen! Dann geht das schon…

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Noch einmal zurück zum Wort ‘Energiefabrik’. (lässt mich einfach nicht los). Betrieben wird die Energiefabrik als Teil des sächsischen Industriemuseums. Aber! Und hier liegt des Pudels Kern, der Standort ist auch ein Teil der Lausitzer ENERGIE Route! Und das wieder rum ist ein Brandenburger Projekt! Früher war das der Bezirk Cottbus und Ende. Heute, nun ja, länderübergreifende Projekte sind so eine Sache. Man findet den Hinweis auf die Energie Route zwar auf der Seite des sächsischen Industriemuseums, aber ganz weit unten…! Ich werde da mal dran bleiben und berichten, was es sonst zu sehen gibt!

Rundgang Energiefabrik

Um es vorweg zu nehmen, es macht Spaß! Wobei Spaß natürlich der falsche Begriff ist…Industrie ist Arbeit, Lebensunterhalt auf der einen Seite, aber auch Dreck, Lärm und wenn man sich die Maschinen ansieht, auch Gefahr! Und nicht nur ich habe Spaß, schon am Eingang wird man freundlich empfangen. Auch auf ungewöhnliche Wünsche, wird sofort reagiert, der ganze Laden wird aktiviert um zu helfen. So geschehen bei meinem zweitem Besuch. Ich wollte sehen…und hören…wie die Fabrik funktionierte. Schnell war jemand gefunden, der die Tour mit mir macht. Der letzte ‘Original’ Mitarbeiter…! Dazu gleich mehr. Erst einmal ein kurzer Überblick. Herzstück ist in jedem Fall die Brikettfabrik. Eröffnet 1918 war die Anlage bis 1993 in Betrieb. Das Museum eröffnete 1994. Heute kann und das ist einzigartig in Europa, der komplette Herstellungsprozess der Briketts dargestellt werden. Alle Maschinen sind noch im Original vorhanden. Im weiteren Verlauf kann die Turbinenhalle, die so genannte Kraftzentrale besichtigt werden. Im Außenbereich finden sich an verschiedenen Stellen Schienenfahrzeuge, teils Gruben-, teils ‘richtige’ Eisenbahn und Fahrzeuge die zur Erschließung der Tagebaue benötigt wurden.

Brikettfabrik

Widmen wir zuerst dem Herzstück des Museums, der Brikettfabrik. Mit meinem kundigen Führer beginnt der Rundgang in der Waschkaue, also der Umkleide! An dieser Stelle begann und endete die Schicht. Was ich noch nicht wusste bzw. was ich bis jetzt immer falsch beurteilt habe, die Klamotten sind nicht nach oben gezogen worden, damit sich keiner daran vergreift, sondern, damit sie im Luftstrom auslüften können. Mach schon Sinn! Dann geht es auch schon weiter. Einige Gebäude auf dem Gelände mussten in den 90iger Jahren abgerissen werden, so ein Schornstein, Teile des Kraftwerks, die Gebäude der Brecher und die Kohlebunker. Nur im Modell kann man noch die ursprüngliche Größe erahnen.

Es geht hoch

Über den Treppenturm geht es nach oben! Steht zwar nicht dran, aber ist so. Klar ist es andersherum einfacher, aber wenn man dem Weg folgen der Rohkohle folgen will… So man die 122 Stufen geschafft hat, kann man die ‘wieder-zu-Luft-kommen’ Pause nutzen um sich umzusehen. Aus 22 m Höhe kann man nicht nur das Museumsgelände überblicken, sondern sieht auch an Stelle des ehemaligen Tagebau Werminghoff 1 (1917-1945, 95 Mio t gefördert), den Graureiher- und den Knappensee.

Es geht los

Schnell noch was Grundsätzliches. Ein Brikett ist ja nichts weiter als getrockneter und gepresster Kohlenstaub. Um dort hin zu kommen, durchläuft die Rohbraunkohle mehrere Stationen. Es wird unterschieden in Nass- und Trockendienst!

Bevor die Kohle dieses Haus erreicht ist sie nach der Anlieferung grob gebrochen worden. Im nächsten Schritt wird die Kohle gesiebt, die großen Stücke werden in Hammermühlen zerkleinert.

Bunker

Der so entstandene Kohlenstaub wird wieder nach oben gebracht und über Förderbänder in die Kohlenbunker verteilt. Interessant ist die analoge Art, das Material gleichmäßig zu verteilen. Was aber nicht darüber hinweg täuschen sollte, welch schwere Arbeit hier erreicht wurde, von Lärm und Staub ganz zu schweigen.

Im Trockner

Im nächsten Schritt folgt die Trocknung der Kohle. Trocknung bedeutet hier, dass der Wassergehalt auf knapp 20% gesenkt wird. Dazu werden in diesem Betriebsteil Tellertrockner (Baujahr 1918, Eröffnungsjahr!) eingesetzt.  Der hat 35 Etagen (Teller), die von der Kohle in 30 min durchlaufen wird. Die einzelnen Teller werden mit 165° heißen Dampf beheizt. Der Transport in die nächst tiefere Etage erfolgt über ein Art Rührwerk. Die Schwierigkeit bestand darin, die Endfeuchte bei den besagten 20% zu halten, obwohl die Rohkohle nie die gleiche Eingangsfeuchte hatte. Dies wurde erreicht, indem das Rührwerk schneller respektive langsamer lief. Warum war das Wichtig? Die Kohle durfte nicht zu trocken werden, da die Gefahr einer Verpuffung mit jedem weniger Prozent stieg. (Bei dem letzten Unfall dieser Art starben 1978 5 Menschen).  Aber der Trocknungsgrad war natürlich auch ein Qualitätsmerkmal, genau wie der Aschegehalt. Interessanterweise wurde sogar hier in Heim- und Exportkohle (NSW) unterschieden. Wie witzig, der Steinkohle reiche Westen heizte mit Ostbraunkohle!

Das Ende, der(die) Brikett(s)

Bevor aus dem getrockneten Kohlenstaub ein Brikett entstehen kann, muss die Kohle von 70° auf um die 40° abgekühlt werden. Dafür wird die Kohle zwecks Kühlung mittels Förderschnecke ins Nebengebäude und zurück befördert. Dann folgt der letzte Akt, die Pressung! Die hier zur Verfügung stehenden Pressen, werden jeweils durch eine eigene Dampfmaschine angetrieben. Mit jeder Umdrehung des Schwungrades wurde ein Brikett erzeugt… Während der 75 Jahre währenden Produktionszeit wurden rund 67 Millionen t Briketts hergestellt. Mörderlärm!

Turbinenhalle, Kraftzentrale

Das Kraftwerk der Anlage mit den Kesselanlagen musste in den 90iger Jahren wegen irreparablen Gebäudeschäden leider abgerissen werden. Nicht so die eigentliche Turbinenhalle. Hier wurde durch verschiedene Turbinenarten nicht nur Strom für die Fabrik erzeugt. Nein, mit der Abwärme wurde geheizt und die Dampfmaschinen der Pressen angetrieben und die Trockner betrieben werden. Also eine Art Kraft-Wärme-Kopplung. Die Generatoren stammen aus den Jahren 1916 bis 1953.

Aussengelände Bahn & More

Rund 1.000 km Bahnstrecke erschlossen in der Hochzeit der Braunkohle das Lausitzer Revier. Einige der einsetzten Lokomotiven sind hier ausgestellt. Fahrzeuge mit der Spurweite 1.435mm (Normalspur) und 900mm (Schmalspur) sind zu sehen. Gleich am Eingang steht die meist gebaute Maschine Deutschlands (1.384 Exemplare), die EL2 des LEW Hennigsdorf. Eine EL3 (791 Stück) wartet an noch auf die Instandsetzung.

Von der Dampflok Reihe 52 abgesehen, die hier nicht fuhr und den Modellbahner gehört, finden sich noch einige Sonderbauarten. Das coole Ding mit dem Triebwerk vorn drauf, wurde zum Enteisen der Strecken verwendet. Auch schön, die Dampfspeicherlok mit dem Stromabnehmer!

Noch ein wenig weiter geschlendert, an einigen Fahrzeugen vorbei, die im Tagbau und drumherum benötigt wurden und schon steht man vor einem herausgeputztem kleinen Zug. So sauber wie jetzt waren Lok und Wagen wohl nie gewesen. So wurde vor der Elektrifizierung im Tagebau Kohle befördert. Nicht an dieser Stelle, hier wurde die Kohle in der Anfangszeit mit einer Seilbahn befördert.

Fazit

Sie ist schon eine Reise wert, die Energiefabrik! Die ganze Lausitz ist eine Reise wert. Nun, wir sehen hier, was auch in Deutschland möglich ist, wenn Geld da ist! Schön, das es noch Orte gibt, wo die Braunkohle, die uns über viele Jahre die Industrialisierung gebracht hat, geschätzt und nicht verteufelt wird. Hier ist ein Ort entstanden, der auch zukünftigen Generation einen Teil der Energieerzeugung nahezubringen! Mir hat es gefallen und werde sicherlich weiter beobachten, wie sich das Museum in der Zukunft entwickelt. Na jedenfalls bin ich jetzt ein:

5 Kommentare

  1. Toller ausführlicher Berich – herzlichen Glückwunsch. Ich werde selber mal vorbeischauen, wenn ich im Februar in der Lausitz bin- Danke VG Jürgen aus der Nordheide

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